Unlyrisch



Diesmal nicht, Philippe!
2005


Es war heiß, als Philippe aus dem Haus ging. Er steckte sich eine Kippe in den Mund. Ronhill light. Irgendwie vermittelte ihm das Rauchen immer ein Gefühl von Macht. Er beschleunigte seine Schritte und ging Richtung Marktplatz. Zu diesem Treffen musste er pünktlich sein.

Philippe ekelte sich vor sich selbst, als er spürte wie der Schweiß in einem dünnen Rinnsal seine Wirbelsäule entlang floss. "Ich halte es nicht mehr aus mit dir! " - immer wieder hatte sie es ihm ins Gesicht gebrüllt, während er versuchte fliegenden Tellern auszuweichen und zur Tür flüchtete. Und dann: "Ich hasse dich." Vollkommen kalt.

Die stickige Luft flimmerte, die Stadt schien zu pulsieren. Viertel vor Vier. Als Philippe im Café saß, fragte er sich, ob es eine gute Idee war, Kinder zu zeugen. - "Hallo." - die wohlbekannte Stimme durchschnitt Philippes Gedanken. Andrej setzte sich und musterte Philippe. Philippe konnte ihn noch nie leiden. Menschen, die für Geld alles machen würden, waren ihm unheimlich. "Ich bin wie er." dachte Philippe. Vielleicht war Sébastien an dem gestreckten Zeug gestorben, dass er vertickt hatte. "Hast du das Geld? " - Nur mit Mühe konnte Philippe das Bild von Sébastiens totem Körper verdrängen. Er nickte. "Gut. Bis später." Andrej stand auf und war wieder verschwunden. Philippe nippte an seinem Kaffee. Sein Mund fühlte sich seltsam trocken an. Das Geld. Diesmal gab es kein Geld.

Philippe knallte einen Geldschein auf den Tisch und stand auf. Raus. Ein starker Brechreiz ergriff ihn. Er schaffte es bis zur Brücke. Während er noch erbrach, hörte er hinter sich eine Stimme: "Dat Leben is hart, Junge! " Philippe wischte sich den Mund ab. Er drehte sich lansgam um, sagte "Ja." und sprang.



Die alte Frau mit dem Fahrrad
2007

Die alte Frau stand einfach da. Mitten auf den Gleisen. Ganz still. Ihre Hände umklammerten den Lenker ihres Fahrrads. Sie hatte ein rotes Kopftuch auf. Ihre Schuhe sahen älter aus, als sie. Auch als man das Dröhnen und Rauschen des näher kommenden Zuges nicht mehr überhören konnte, bewegte sie sich nicht. Sie stand einfach da, mit ihrem Fahrrad, auf den Gleisen, und sah sich den Sonnenuntergang an.  
Die Gleise fingen an zu vibrieren und der Zug kam um die Kurve. Der Zugführer bemerkte die alte Frau viel zu spät. Das Quietschen der Bremsen ertönte erst, als der Zug bereits über die Frau hinweg gerollt war. Als der Zug endlich zum Stehen kam, suchte der Zugführer, zusammen mit seinem Personal die Schienen ab. Doch sie fanden nichts. Keine abgetrennten Gliedmaße, keine Fahrradteile, kein noch so kleiner Spritzer Blut. Keine Spur von der alten Frau und ihrem Fahrrad.  
Die Reisenden hingen an den Fenstern, gafften nach draußen und wollten wissen, warum der Zug so abrupt gestoppt hatte. Der Zugführer war ratlos. Das Personal wunderte sich, die Passagiere wurden langsam ärgerlich. 
Bei seiner Entlassung sagte man dem Zugführer, dass er unter Wahnvorstellungen leide. Da wurde der alte Mann sehr traurig. Er stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause
Die Frau saß vor seinem Haus auf der Bank und lächelte ihm zu, als er aus dem Auto stieg. Ihr Fahrrad lehnte an dem Scheunentor. "Danke." sagte sie leise. "Es ist nie zu spät." Und als er gerade seine Stimme wieder gefunden hatte, war sie schon verschwunden. Da wurde der Mann nachdenklich. Er dachte drei Tage und drei Nächte lang nach. Tagsüber saß er auf der Bank vor seinem Haus und nachts in dem Schaukelstuhl vor dem Kamin. Am vierten Tag in der Frühe packte er seine Sachen und wanderte vergnügt in Richtung Sonnenaufgang. Er wollte die Liebe suchen gehen.  



Afterhour 
2008

Man kann erst mal den Freunden ein bisschen Pep mit in den Club bringen, eigentlich wollte man ja noch jemand anderen treffen, vor dem Club, dann merkt man aber, dass das total bescheuert ist, man kann ja nicht 15 Gramm Pep mit in die Disko nehmen und der andere wollte eigentlich noch kommen und den soll man anrufen und man hat ja auch gar keine Waage und der Akku ist auch schon wieder leer. Alles ein bisschen kompliziert.
Aber dann ist man im Club und alles ist toll, nur dass um halb 4 schon Schluss ist, darüber kann man sich aufregen. Durch die Stadt tingeln auf der Suche nach der nächsten Party.

Dann Afterhour.

Man kann sich gegenseitig auf ne Line einladen, zum Frühstück. Fragen, wer ne Tüte dreht.
 Man kann über gute Drogen-Verstecke am Körper reden, und wie man sie am besten transportiert. Z.B. in hohlen Batterien. Wie viel Pep an den Tütchen kleben bleibt, unglaublich! Oder sie gehen auf und man hat alles in der Hosentasche! Und der eine muss es schon trinken, weil seine Nase zu wund zum Ziehen ist.
Man kann sich von seiner ersten Pille erzählen.
Man kann lange über die Für und Widers der verschiedenen Konsumarten reden. Die Wirkungen der Drogen diskutieren. Der eine schwört drauf – ein halber Trip und ne halbe Pille bringen das beste Brett. Die 18jährige, die grad einen Trip geschmissen hat wirft ein, dass sie mords die Optics hat.
Man kann sich über die verschiedenen Arten von Drogen – Trips, Coca, Pep, Pillen, Pilze, Liquid, MDMA, ..unterhalten und die Erfahrungen austauschen. Zwischendurch mal einen kiffen. Feierabend vom Feiern.
Man kann sich über die Qualität der Drogen unterhalten. Miraculix-Trips sind leider verschwunden. Und ja nie blanke Pillen nehmen!
Die 18jährige erzählt, dass sie schon oft im Krankenhaus aufgewacht ist. „Aber“ meldet sich der Trip-Typ zu Wort, „man kann an Liquid gar nicht sterben, die Leute sterben an der Mischung mit anderen Drogen oder ersticken an ihrer Kotze.“
Der andre muss dann arbeiten, zieht noch ne Line bevor er losfährt. Damit er vor den Hotel-Gästen so tun  kann, als macht ihm sein Job Spaß.
Man kann sich erzählen, dass man zwar schon süchtig ist, aber trotzdem noch alles im Griff hat. Man kann sich wundern, dass Alkohol legal ist, obwohl er als sehr gefährliche Droge eingestuft wird.
Man kann sich all die lustigen Situationen erzählen, die man mit Drogen erlebt hat und dass man viele Leute ohne Drogen nie kennen gelernt hätte. Und dass Drogen den Horizont erweitern, weil man völlig neue Dinge erlebt und man ist jung und lebt nur einmal.
Man kann sich ganz schön was vor machen.
Nur aufhören kann man nicht. 



Gibt es Gerechtigkeit?
2011

Ärger, dieses Gefühl hat er öfters.
Das Mädel, kaum 20, das Omas Tram-Platz besetzte zum Beispiel.
Das regte Horst tierisch auf.
Oder als ihm auffiel, dass er wohl bereits Jahre auf etwas Respekt seines Chefs wartete.
Trotz, dieses Gefühl hat er öfters.
Die Kraft fehlte kaum, als er private und globale Gerechtigkeit forderte.
Es zeriss Horst fast, dieses  blockierte Gefühl.
„Terror“ sagte er vorsichtig zu sich selbst.
„Terror“ schrie er etwas lauter zu der Tür.
„Terror“ brüllte Horst, „psychischer Terror im Kopf, du scheiss Welt!“



Regen 
2011 

Ich bin in einem kleinen Haus in den Dünen. Unter einem reetgedeckten Dach liegt mein Arbeitsraum. Von meinem Schreibtisch aus höre ich das Meer rauschen... 
etwas entfernt sehe ich eine Möwe am Himmel fliegen. Und war das etwa ein Donnergrollen?
Tatsächlich, da hinten ziehen dunkle Wolken auf.
Sie kommen näher und schon klatschen die ersten Regentropfen an die Fensterscheiben.
Ich nehme einen Schluck von meinem Tee und stehe auf.


Ich liebe Regen. Vor allem am Meer.

Die Wellen sind vom Wind aufgewühlt. Es regnet immer stärker.
Dann zucken die ersten Blitze auf und der Donner ist ohrenbetäubend.
Ich ziehe meine Jacke an und stelle mich auf die Terasse.
Unter dem Dach werde ich kaum nass. Das Toben und Tosen des Gewitters befreit mich.

Ich liebe Sturm. Vor allem am Meer.


Alles ist frei, alles lässt los, mein Herz fliegt davon.
Segelt durch den Regen und lässt sich treiben.
Könnte ich doch nur diesen Moment für immer festhalten.
Die Regentropfen bilden kleine Krater im Sand.
Regenbäche fließen an mir vorbei.
Wie groß die Welt ist! Und wie schön!
Und ich, ein kleiner Mensch, darf daran teilhaben!

Ich liebe Regen. Vor allem am Meer.


 




 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen